Neuerfindung IT-Mittelstand

Neuerfindung IT-Mittelstand


Eines der Schlüsselwörter der IT-Branche ist gegenwärtig die „Digitale Transformation“. Das Vordringen disruptiver Technologien verändert die Welt grundlegend. Wer hier zu lange am „Alten“ festhält und sich den Veränderungen nicht anpassen kann, der verliert am Ende. Vor dieser enormen Herausforderung stehen momentan viele in den 1980er/90er Jahren gegründeten IT-Unternehmen. Vor Jahren als ERP-Implementierer und klassische IT-Dienstleister zum Optimieren von Applikationen und Prozessen angetreten, entfernen sie sich immer weiter von ihrem Stammgeschäft. Sie müssen ihre gewachsene Mannschaft auf die neuen Technologien ausrichten, auf Big Data, Cloud, Industrie 4.0, agile Entwicklung, usw. Systemhäuser kommen kaum mehr hinterher, wenn es darum geht, in der IT-Welt up-to-date zu sein. Insbesondere Mittelständler sind hierbei von einer Konsolidierungswelle betroffen – die großen Fische sind zunehmend dabei, sich die kleinen einzuverleiben. Verstärkt wird die Situation durch ein Nachfolgeproblem, welches zahlreiche IT-KMU haben. Wir sprachen darüber mit Ralf Heib und Dr. Peter Klein, beide Geschäftsführer der match.IT GmbH, und Experten für Unternehmensstrategie und Unternehmensnachfolge im IT-Markt.

ITM: Herr Heib, wie ist es bei den IT-Systemhäusern mit bis zu hundert Mitarbeitern um die Wachstumschancen bestellt? Können sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise dem Innovations- und Konsolidierungsdruck am Markt überhaupt noch Wachstum generieren oder sinken die Margen und Wachstumspotenziale eher?


Ralf Heib: Die Entwicklung in der jetzigen Phase ist eine ganz andere, als wir sie seit den boomenden 90er Jahren kennen. Das klassische ERP-Geschäft wird immer weniger bei zunehmendem Wettbewerb durch Freelancer und interne IT-Abteilungen. Ein Grund für das Nachhinken der kleinen Service-Provider stellt sicherlich der sich rasant wandelnde IT-Markt dar. Permanent wird ein neuer Hype heraufbeschworen von Mobility, Cloud bis Big Data. Mit der alleinigen Einführung eines “simplen” ERP-Systems ist es heute also nicht mehr getan, da die Hersteller von betriebswirtschaftlichen Softwarelösungen, also ERP, CRM, DMS, HR, usw. technologisch vorpreschen und auch die Kunden immer anspruchsvoller werden. So steht jetzt beispielsweise im Zuge von Industrie 4.0 auch die Anbindung der ERP-Systeme an die Sensorik der Shop-Floor-Ebene auf dem Programm und die Kunden erwarten zudem vom IT-Dienstleister zunehmend auch eine Unterstützung bei der Ausgestaltung neuer Geschäftsmodelle.


ITM: Das bedeutet also, dass die IT-Unternehmen sich grundlegend verändern müssen?


Ralf Heib: Richtig, sie müssen sich quasi komplett neu erfinden, um wieder Wachstum generieren zu können. Die Digitale Transformation zieht sich durch die gesamte Organisation.


ITM: Wie ist das zu verstehen?


Ralf Heib: Zum einen muss sich die Organisation und Struktur des IT-Unternehmens auf die veränderten Marktbedingungen ausrichten und agiler werden, sowohl bei den Entwicklungsprojekten als auch bei Softwareeinführungen. Eine agile Unternehmensorganisation erfordert jedoch eine grundlegende Veränderung bei der Rollen- und Arbeitsverteilung, Hierarchien müssen durchbrochen werden. Und ein solches Change Management wird auch mit zunehmendem Durchschnittsalter der Mitarbeiter in IT-Unternehmen nicht leichter. Auf der anderen Seite stehen zudem neue Technologien, auf die man sich um- und einstellen muss. Auch hierbei heißt das Stichwort Agilität, denn die digitale Transformation bringt es mit sich, dass neue, disruptive Technologien zwar andere völlig verdrängen, selbst aber ebenso schnell wieder überholt werden können.


ITM: Viele IT-Mittelständler haben doch eine sehr enge Kundenbindung und somit ein solide Basis geschaffen?


Ralf Heib: Sicher haben insbesondere mittelständische IT-Dienstleister eine sehr enge Kundenbindung, jedoch stehen auch deren Bestandskunden vor der Herausforderung der digitalen Transformation, auch sie müssen sich neuen Technologien öffnen, um im künftigen Wettbewerb mithalten zu können. Durch den sukzessiven Übergang der Kunden Richtung Cloudlösungen wird beispielsweise die Rolle vieler IT-Provider grundlegend in Frage gestellt. Wenn der IT-Partner dann über keine eigene Cloud-Lösung verfügt oder sein Geschäftsmodell nicht in diese Richtung weiterentwickelt hat, ist der langjährige Bestandskunde gezwungen, sich am Markt nach einem anderen Dienstleister dafür umzusehen. Da mittelständische IT-Häuser in der Regel nur eine überschaubare Anzahl großer Bestandskunden haben, kann dies schnell zu einer kritischen Situation führen.


ITM: Ist das Bild nicht zu düster gezeichnet?


Dr. Klein: Nein, keineswegs, der Konsolidierungsprozess ist bereits im vollen Gange und heute sind auch Insolvenzen im IT-Markt kein Tabu-Thema mehr. Deshalb ist mittelfristig ein radikales Überdenken der klassischen Geschäftsmodelle notwendig. Die Anforderungen an den Transformationsprozess sind groß. Ein mittelständisches IT-Haus überlegt deshalb sehr genau, wo und in welche Technologiesprünge es investiert. Bei Big Data etwa müssen sie Hardware kaufen, die Engine testen, Mitarbeiter ausbilden und schulen. Das ist mit Kosten verbunden, was gerade kleine IT-Dienstleister nicht ohne weiteres stemmen können. Über kurz oder lang werden viele kleine und mittelgroße Systemhäuser dies alleine nicht schaffen, weil sie schlichtweg an ihre Grenzen stoßen und nicht mehr überall mithalten können. Zumal sie oft auch noch ein Nachfolgeproblem haben.


ITM: Können Sie dies näher erläutern?


Dr. Klein: Mittlerweile haben viele dieser Unternehmen ein Alter erreicht, bei dem die Gründer an ihren Ruhestand denken und die Nachfolge in ihren Unternehmen regeln wollen. So haben z.B. auch die Industrie- und Handelskammern Deutschlands ein Problem bei der Nachfolgeregelung branchenübergreifend festgestellt. Besonders der Mittelstand sei davon betroffen und die IT-Branche macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil, denn besonders hier gibt es eine Menge Problemkandidaten, etwa bei den SAP-Service-Partnern, die nach unseren eigenen Recherchen im Schnitt mindestens 15 Jahre alt sind. Immer seltener sind auch die Kinder eines Gründers dazu bereit, die Firma weiterzuführen. Das Nachfolgeproblem und limitierte Wachstumschancen führen zu einer gefährlichen Melange, die einer ganzen Menge von Programmierern und Beratern mittelfristig den Job und vielen Eigentümern den Traum vom vergoldeten Ausstieg kosten könnten. Gerade die fehlenden Möglichkeiten zum Wachstum durch eine über die Jahre festgewachsene Kompetenzgrenze können sich drastisch auswirken.


ITM: Und was bedeutet das für den IT-Markt?


Ralf Heib: Er wird überschaubarer. Im Extremfall teilen sich den Markt nur noch einige wenige große Beratungshäuser, wie schon die M&A-Transaktionen der letzten Jahre bereits angedeutet haben. Betrachten wir beispielsweise den SAP-Markt: Noch hat die Mehrzahl der SAP-Servicepartner in Deutschland eine durchschnittliche Mitarbeiteranzahl von deutlich unter hundert. Doch die mittelgroßen und größeren SAP-Beratungen sind seit mehreren Jahren massiv am Zukaufen, um selbst eine stabile Größe zu erreichen. Der Konzentrationsprozess am SAP-Beratermarkt ist dabei nur dann vermeidbar, wenn sich die kleineren Partner die richtigen Überlebensstrategien zurechtlegen. Denn es gibt durchaus Perspektiven.


ITM: Welche Möglichkeiten sind das?


Ralf Heib: Eines gleich vorweg: Wer jetzt nichts tut, der hat bereits verloren. Natürlich gehört zunächst einmal dazu, dass die Unternehmer ihre Hausaufgaben machen und ihre Bilanz-, Organisations- und Finanzstrukturen optimieren. Das wichtigste ist aber, den Prozess der Neuausrichtung von Anfang an richtig aufzusetzen und den passenden strategischen Partner zu identifizieren. Und hat ein Unternehmen seine Hausaufgaben gemacht, so gibt es durchaus interessante Optionen bei der Partnerwahl. So kommen nicht nur die marktführenden großen Mitbewerber am deutschen Markt als strategische Investoren in Frage. Sondern auch internationale IT-Firmen von den USA über Indien und selbst China haben ein Auge auf den deutschen Markt geworfen. Gerade im Rahmen von Industrie 4.0 gewinnt „made in Germany“ hier wieder an Bedeutung. Auch Non-IT-Firmen haben mittlerweile ihr Interesse an IT-Firmen entdeckt und wollen hier zukaufen. Und letztendlich kommen auch Beteiligungsgesellschaften und Family Offices selbst für kleinere IT-Firmen als Partner in Frage.

Wir bei der match.IT haben uns darauf spezialisiert, Unternehmen zusammenzubringen und ganz gezielt die geeigneten Partner für die zukünftige Entwicklung zu finden.


ITM: Wie lange vor dem geplanten Ausstieg sollte man mit den Vorbereitungen der Unternehmensnachfolge beginnen?


Dr. Klein: Unternehmensverkauf und insbesondere die Nachfolgeplanung hat viel mit dem Faktor Zeit zu tun. Bis dato hat der Firmeneigentümer keinen Zeitdruck und konzentriert sich viele Jahre voll auf das operative Geschäft. Doch mit den Jahren ändern sich die Lebenspläne und das Thema Verkauf rückt langsam in den Fokus der Firmengründer. Unsere Erfahrungen zeigen, dass derjenige Unternehmer im Vorteil ist, der den Unternehmensverkauf und die Nachfolgeplanung bereits mindestens zwei bis drei Jahre vorher im Blick hat.


ITM: Ist das nicht ein recht langer Vorlauf?


Dr. Klein: Diese Zeit wird benötigt, um z. B. vorhandene strukturelle Probleme frühzeitig anzugehen und die Firma ideal für einen Nachfolger bzw. einen Verkauf aufzustellen. Im IT-Sektor werden in den nächsten Jahren viele IT-Firmen, die im gleichen Zeitraum gegründet worden sind, mit einer Nachfolgethematik auf den Markt drängen. Daher wird schnell klar: wer frühzeitig mit der Vorbereitung anfängt, ist eindeutig im Vorteil.

ITM: Und wie sehen Sie die Möglichkeiten den durch Technologiewandel verursachten Umbruch zu schaffen?


Ralf Heib: In einem effizienten Zusammenspiel mit einem überlegten Geschäftsmodell aus Produkt- und Partnerstrategie als probates Mittel, um als “Kleiner” im IT-Markt nicht unterzugehen. Häufig hilft hier die Zusammenarbeit mit einem passenden strategischen Partner, der dann zumeist auch zum Investor wird und dem kleinen Unternehmen durch seine Vertriebskanäle deutliche größere Wachstumspotenziale ermöglichen kann. Ohne einen solchen starken Partner sind im Grunde die kleinen IT-Fische ein “gefundenes Fressen” für die Großen Haifische im IT-Marktbecken. Aber auch hier können wir kleineren Unternehmen Schützenhilfe geben, indem wir uns beispielsweise um Finanzierungen für ein Management-Buy-Out kümmern, die sie aus eigener Kraft nicht schaffen würden. In aller Regel haben diese Unternehmen ja keine großen Investitionsmöglichkeiten.


ITM: Wie können Sie zur Lösung des Nachfolgeproblems beitragen?


Dr. Klein: Findet ein Familienbetrieb keinen neuen Chef, sind das Lebenswerk des Gründers und die Arbeitsplätze der Angestellten gefährdet. Selbst wenn der Inhaber Investitionen in neue Techniken und Weiterbildung der Belegschaft bzw. das Anwerben neuer Mitarbeiter mit neuen Kompetenzen anstrebt, spielen allzu oft die Banken bei Finanzierungen nicht mit. Einerseits, weil der persönlich bekannte, vertraute Unternehmensgründer wegfällt, andererseits, weil Banken meist zu geringes Wissen über die IT-Branche mitbringen. Deshalb verweigern viele Banken langfristige Kredite, wenn es keine klare Nachfolgeregelung gibt. Dieses unschöne Ende kann man vermeiden, indem man sich rechtzeitig damit auseinandersetzt und einen Prozess zur Neuausrichtung aufsetzt. Die Initiative muss aber von den Unternehmensgründern oder den Eigentümern selbst ausgehen.


ITM: Und was spricht Ihrer Meinung nach für match.IT als M&A-Partner?


Ralf Heib: Wichtig für IT-KMU ist letztlich sich selbst abzusichern und dadurch auch bei den Partnern und Kunden Vertrauen zu schaffen, zu zeigen, wie man technologisch aufgestellt ist, wie flexibel man reagieren kann. Wir sehen uns hier als optimaler Partner. Bei der match.IT sind M&A- und IT-Erfahrung in Kombination mit juristischer Kompetenz gebündelt. Der Kunde hat bei uns für den gesamten Verkaufs- bzw. Nachfolgeregelungsprozess einen Ansprechpartner. Wir schreiben uns deshalb auf die Fahnen, die bessere Adresse zu sein. Unsere Mitarbeiter kennen sowohl den IT-Markt als auch die M&A-Branche seit mehr als 20 Jahren.


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