Digitale Assistenzsysteme im Produktionsumfeld

Digitale Assistenzsysteme im Produktionsumfeld


lm Zuge von Industrie 4.0 unterstützen Assistenzsysteme vermehrt die Herstellungsprozesse in großen und mittelständischen Produktionsunternehmen. Vor allem digitale Assistenzsysteme gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt. Das bestätigt auch eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), die im Rahmen eines Umsetzungsprojektes des Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums Stuttgart in Zusammenarbeit mit der memex GmbH entstanden ist. Die Hersteller planen künftig vermehrt mit digitalen Assistenzsystemen im Produktionsumfeld.


Wir sprachen mit Robert Rothenberger, Geschäftsführer bei der memex GmbH, über moderne Qualifizierungsmaßnahmen auf dem Shopfloor sowie die generellen Unterschiede zwischen Assistenzsystem und digitaler Arbeitsanweisung.

Herr Rothenberger, warum möchten sie in Bezug auf ihre eigene Entwicklung Utility Film den Begriff „Assistenzsystem“ vermeiden?


Der Begriff ist mir zu weit gefasst und beschreibt letztlich auch nicht die Lösungsqualität, die wir seit Jahren den Werkern und Monteuren auf Shopfloor-Ebene bieten. Selbst das Antiblockiersystem oder der Tempomat im PKW zählen ja unter Assistenzsysteme. In unserem Bereich gibt es vielleicht den „Schlauen Klaus“ als bekanntes Beispiel. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine kamerabasierte Bildverarbeitung, die den Mitarbeiter bei seinem Montageprozess kontrolliert und mittels Signalton auf Fehler hinweist. Auch wenn alle diese Lösungen definitiv ihren Nutzen haben, führen sie doch dazu, dass der Mensch bei seiner Tätigkeit weniger denken muss. Wir bei memex gehen hingegen mit unserer Entwicklung ein paar Schritte weiter – und zwar auf didaktischer Ebene.


Das klingt erstmal nach Schulunterricht. Was meinen sie damit genau?


Mit dem Utility Film bieten wir den Mitarbeitern im Shopfloor nicht nur eine digitale Arbeitsanweisung für die täglichen Montagearbeiten als Instruktion, sondern darüber hinaus auch eine begleitende Qualifizierungs- und Wissensplattform. Das heißt, wenn ein Mitarbeiter an seinem ersten Tag in die Firma kommt, erhält er auf der memex-Plattform das Wissen bereitgestellt, das er benötigt, um seine spezifischen Aufgaben komfortabel erfüllen zu können. Unsere digitalen Arbeitsanweisungen begleiten den Mitarbeiter quasi von der instruktiven Einarbeitung des ersten Tages an bis hin zu allen zukünftigen Tätigkeitsfeldern. Auf diese Weise kann er durch memex weitere Kenntnisse hinzu lernen und seine Qualifikation sukzessive ausweiten. Wir sprechen deshalb auch nicht gerne vom „Anlernen“, wie es vielleicht komplementäre Anbieter tun. Wir schaffen keine Anlernkräfte, sondern qualifizierte Mitarbeiter.


Wie reagieren Sie auf aktuelle Trends? Einerseits gibt es ja den digitalen Wandel, bei dem Daten schon auch mal als das Gold des neuen Jahrhunderts bezeichnet werden. Andererseits gibt es New Work, ein Thema, das mittlerweile sogar den Shopfloor erreicht hat. Spielen diese Dinge in ihrer aktuellen Entwicklung auch eine Rolle?


Unsere Lösungsqualität beruht im Wesentlichen auf drei Säulen: Dokumentieren, Instruieren, Qualifizieren. Dokumentieren bedeutet, dass wir das Wissen auf Shopfloor-Ebene sichern. Dieser Punkt wird derzeit auch sehr stark von unseren Kunden gewichtet. Der Utility-Film lässt sich auch sehr viel schneller und komfortabler erstellen als beispielsweise eine Text-Bild-Anweisung – und trotzdem ist er aussagekräftiger. Das ist ein sehr starkes Alleinstellungsmerkmal gegenüber komplementären Anbietern.

Und klar: Eine agiler werdende Arbeitswelt führt auch dazu, dass der Einsatz der Werker immer flexibler wird. Wir unterstützen diese Veränderung – Ist ein Mitarbeiter beispielsweise drei Monate in Elternzeit, liegt dessen Prozesswissen gut bewahrt auf der memex Plattform, und kann von anderen leicht nachvollzogen werden.

Folgen wir diesem Beispiel bringt uns das zum „Instruieren“: Wir statten den Mitarbeiter mit einer fundierten Arbeitsanweisung aus, die ihn instruiert, etwas beim ersten Mal erfolgreich und fehlerfrei umzusetzen.

Hingegen heißt „Qualifizieren“ für uns: Der Mitarbeiter übt mit unserer Anleitung mehrfach, bis zu dem Punkt, an dem er selbständig ohne digitale Werkerführung den Prozess durchführen kann. Das wird in Zukunft so weit gehen, dass unser System auch speichern kann, was die Mitarbeiter gelernt haben, damit zwischen dem Soll, was gelernt werden muss, und dem, was der Mitarbeiter bis dato tatsächlich gelernt hat, ein Abgleich stattfinden kann.


Wie stehen sie zum Einsatz von VR-Brillen oder Augmented Reality in ihrem Bereich?


Wir bedienen überwiegend mittelständische Kunden, die schnell realisierbare Lösungen zu einem überschaubaren Preis erwarten. Diese Sicherheit geben wir ihnen gerne. Derzeit kommen Messestände und Showcases ja kaum noch ohne Datenbrillen aus – die Realität in mittelständischen Unternehmen ist aber häufig eine andere. Viele Betriebe arbeiten noch immer nicht mit Bildschirmen auf Shopfloor-Ebene. Dort sieht es dann so aus, dass sich die Mitarbeiter morgens noch ihren Auftrag in Papierform beim Meister abholen. Deshalb eine ganz wesentliche Aussage von unserer Seite: Alles, was wir zeigen auf unseren Veranstaltungen, in Videos oder auf unserer Website sind nicht irgendwelche Dinge, die sich diskutieren lassen und irgendwann einmal so sein könnten, sondern es sind konkrete Optimierungen, die von unseren Kunden so bereits erfolgreich eingesetzt werden.


Weg von der Arbeitsmappe also?


Ja, wir machen die Digitalisierung für den Mittelstand praktikabel. Was heute besprochen wird, kann morgen umgesetzt werden. Utility Filme sind sofort und eigenständig umsetzbar. Der Erstellungs- und Einführungsaufwand ist weitaus geringer als bei anderen Systemen. Zudem verändern unsere Arbeitsanweisungen die Arbeit und die Qualifizierungssituation der Mitarbeiter nachhaltig, indem die Einarbeitung massiv verkürzt und Standards einheitlich vermittelt werden. Wir sorgen auch dafür, dass die allgemeine Akzeptanz gegenüber der digitalen Einarbeitung schnell steigt. Beispielsweise werden Sprachbarrieren durch unsere Lösungen reduziert.


Sie sagen, dass Assistenzsysteme im Spannungsfeld des technologischen Wandels stehen, was ist darunter zu verstehen?


Das Aufgaben- und Anforderungsspektrum des Menschen in den produzierenden Unternehmen wird sich drastisch verändern. Doch entgegen der vielfach laut werdenden Skepsis werden für die Fabriken der Zukunft keine menschenleeren Werkshallen angestrebt – Industrie 4.0 bedeutet vielmehr, dass die Werker auf Shopfloor-Ebene mit all ihren erlernten Fähigkeiten und Kenntnissen nahtlos in ein eng vernetztes, cyberphysisches Gefüge eingebunden werden.


Und wie genau sieht diese Unterstützung aus?


Mit unseren Utility-Filmen lernen wir die Mitarbeiter nicht nur an, wir qualifizieren sie auch. Das heißt wir bringen sie soweit, dass sie ihre erlernte Tätigkeit auch anderen Werkern vermitteln können. Entscheidungen auf Basis menschlicher Intelligenz werden durch uns nicht eingeschränkt, sondern geschult. Anhand unserer digitalen Arbeitsanweisung lernen Mitarbeiter eigenständig zu arbeiten, Abweichungen zu erkennen und ggf. korrigierend in den Produktionsprozess einzugreifen.


Und wie sehen Sie das Zusammenspiel innerhalb der Smart Factory?

 

Digitale Assistenzsysteme sind ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die vernetzte Fabrik. Digitale Arbeitsanweisungen, wie sie beispielsweise unser Utility-Film bietet, steigern die Fähigkeiten der eingesetzten Mitarbeiter, die Qualität der Produkte und letztlich auch die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens nachhaltig. So verbirgt sich hinter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ schon jetzt eine ganze Bandbreite an Lösungen für diese Herausforderungen.


Sind digitale Arbeitsanweisungen wie Utility Film für den Mittelstand geeignet?


Eindeutig ja. Montage-Arbeitsplätze sind überall zu finden. Doch für viele, gerade kleine und mittelständische Unternehmen, ist es mitunter noch schwierig herauszufinden, welches Potenzial hinter welcher Lösung steckt, und in welchem Bereich sie diese Systeme am besten einsetzen können.


Wie lässt sich ein mittelständisches Fertigungsunternehmen davon überzeugen?


Der Begriff „Assistenzsystem“ ist meines Erachtens nur angebracht, wenn es dem Menschen dient und er daraus einen positiven Wert für seine tägliche Arbeit schöpfen kann. Die Frage, die wir uns bei memex deshalb grundsätzlich stellen, ist: Dienen unsere Entwicklungen einem gesünderen und effektiveren Arbeiten? Und das versuchen wir, dem Mittelstand zu vermitteln.


Und wo sehen Sie digitale Assistenzsysteme in der Zukunft?


Ich will in dem Zusammenhang nur von unseren eigenen Lösungen sprechen und die entwickeln wir konsequent weiter. Für die Zukunft sehen wir beispielsweise ein starkes Potential in den Bereichen Visualisierung und Vernetzung. Unsere mit dem Fraunhofer IAO gemeinsam durchgeführte Studie vermittelt hier ein aktuelles Bild über den Entwicklungsstand und reflektiert die derzeitigen Trends rund um digitale Assistenzsysteme im Produktionsumfeld.

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